Jubiläumskonzert des MGV Weiler auf hohem Niveau
[Allgemeine Zeitung Bingen, 23.03.71]
Weiler. Nicht unbeabsichtigt hat Willibald Stipp, der für die Gesamtleitung des Jubiläumskonzertes des MGV Weiler verantwortlich zeichnet, gemeinsam mit Musikmeister a. D. Gustav Adolf Weissenborn, Bad Kreuznach, beim Arrangement der musikalischen Veranstaltung seinen Blick auf jene Zeit der musikalischen Schöpfung gerichtet, die ein Phänomen der neuen Musikgeschichte darstellt, ...
... nämlich die konstante Beliebtheit jener Melodien der Opern und Operetten aus der Zeit eines Meyerbeer, Lortzing, eines Offenbach, Franz von Suppé und Strauss.
Eingeschlossen die Werke Verdis, die diejenigen Richard Wagners ergänzen.
Mit dem Spürsinn des Musikers führte Stipp seinen Männerchor mit der Instrumentalmusik Weissenborns zu klassischem Ausdruck. Ein voll besetztes Haus im festlichen Kleid erlebte in Konzertatmosphäre, die Jakob Eiger dem Raum verlieh, der Gast dieser Veranstaltung.
Angenehm empfunden, das den Charakter eines Konzerts dieser Veranstaltung betonte, war das Ausbleiben jeglicher Einführungs- und Begrüßungsworte. Mit Klängen von Meyerbeer, Krönungsmarsch aus seiner Oper „Der Prophet“, versetzte Weissenborn seine Zuhörer unmittelbar in das Reich der „Großen Oper“, die ihn als ihren Beherrscher kennt. Wuchtig, theatralische Hyperromantik kennzeichnend und doch liebenswürdig zugleich, schwingen im Raum die Töne, getragen von einem überzeugenden Orchester mit eigener Interpretation des Dirigenten.
Und in musikalischer Ergänzung dieser Epoche traf man später ähnlich romantische Klänge, eingehüllt in freundliche Phantasie, die in Offenbachs “Hoffmanns Erzählungen“ in gesanglicher Kontroverse vom Chor der Männer mit dominierenden Solisten, unterstützt von den Instrumenten, bedeutsame Prägung erfuhren.
„Undine“, mit ihrer Ballettmusik von Lortzing, und des Chores aus der heute noch die Bühne beherrschenden großen Oper „Der Waffenschmied“, mit dem temperamentvollen und ausdrucksreichen Zigeunerchor aus dem „Troubadour“ Verdis, die die Stimmen des Weilerer Männerchores prächtig trugen.
Eingefügt die Klänge des Verdi-Erben Pietro Mascagni, die, als besonders beliebter Ausschnitt des Intermezzo sinfonico aus der Oper „Cavalleria rusticana“, die pointierte Zeitepoche repräsentierten.
Als nuancierten Kontrapunkt die tastenden, träumenden Stimmen aus Schuberts „Nachtgesang im Walde“, die vom Chor wie ein Hauch die charakterisierende Melancholie des Tondichters verkörperten, gefolgt von der betonten Ausdrucksstärke des Pilgerchors aus Wagners „Tannhäuser“.
Als farbenreiche und duftige Abwechslung erklangen die lyrischen Variationen „An den Frühling“ des Skandinaviers Edvard Hagerup Grieg und der vor Lebendigkeit sprühenden „Tritsch-Tratsch-Polka“ von Strauß.
Mit dem effektvollen Can-Can aus „Orpheus in der Unterwelt“ von Offenbach, von brausendem Beifall begleitet, dem sich der Männergesangverein „Liederkranz“ mit der sie begleitenden Unterhaltungskapelle einer Wiederholung nicht verschließen konnte, ging das Konzert ins Finale.
Ein erfolgreicher Abend eines Gesangvereins, dessen Sänger sich unbesorgt der Leitung ihres Dirigenten anvertrauen können, der mit sicherem Visier in die Zukunft steuert. Doch nichts, ohne der erkennbar gewordenen Arbeit.
Hermann Ruhs